Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag – eine Erfolgsgeschichte! – von Prof. Dr. Jochen Mecke

Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag – eine Erfolgsgeschichte!
Die Bilder sind später berühmt geworden: Als Charles de Gaulle und Konrad Adenauer am
zweiten 20. Januar 1963 den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, auch Elysee-
Vertrag genannt, unterzeichneten, kam es zu einer jener vielen deutsch-französischen
Missverständnisse, die lange Zeit das Verhältnis zwischen den beiden Nationen geprägt
hatten. Nachdem der französische Präsident eine bewegende Rede gehalten und Konrad
Adenauer sich damit begnügte hatte, sich seinem Vorredner voll und ganz anzuschließen, bereitete De Gaulle auch schon seine Arme aus und bewegte sich auf Konrad Adenauer zu, der – wie man auf den Archivbildern deutlich sieht – etwas erschrocken zurückwich, bis ein geistesgegenwärtiger Protokollbeamter ihn dezidiert auf De Gaulle zuschob und beide sich den Regeln der französischen Akkolade entsprechend in die Arme nahmen. Als Adenauer, sichtlich von de Gaulles emotionaler Geste bewegt, seine Hand noch ausgestreckt hält, um einen kräftigen Händedruck mit seinem französischen Kollegen auszutauschen, was in seiner Generation der höchste Ausdruck der Sympathiebekundung unter Männern war, ist de Gaulle bereits zurückgewichen und Adenauers Hand greift ins Leere. Manchmal sagen Bilder bekanntlich mehr als 1000 Worte. Und hier bringen die Filmbilder ganze Jahrhunderte deutsch-französischer Beziehungen auf den Punkt. Sie besagen, dass Deutsche und Franzosen eigentlich immer dasselbe wollten, allerdings fast nie zum selben Zeitpunkt und immer mit anderen Mitteln. Als die Franzosen Frieden wollten, rüsteten die Deutschen für den Krieg, als die deutschen Pazifisten geworden waren, setzten die Franzosen auf ihre Atommacht. Das gilt übrigens auch für die Absichten, die beide Nationen mit dem Vertrag verbanden, denn sie waren durchaus von unterschiedlichen Interessen geprägt. Während es Frankreich vor allem darauf ankam, Europa aus der Vorherrschaft der Amerikaner zu lösen und einen Keil zwischen die USA und Deutschland zu treiben, war es Deutschland vor allem darum zu tun, Frankreich in ein multilaterales internationales Geflecht von Verträgen einzubinden. Dies führte dazu, dass der Deutsche Bundestag den Vertrag mit einer Präambel ratifizierte, die bereits kurz nach der Unterzeichnung für Unstimmigkeiten zwischen den beiden Ländern sorgte, rief sie doch Frankreich und Deutschland zu einer engeren Zusammenarbeit mit den USA und zur Aufnahme Großbritanniens in die europäische Wirtschaftsgemeinschaft auf.
Die großen Hoffnungen, die de Gaulle in die Deutschen und den Vertrag gesetzt hatte, wurden also sofort enttäuscht. Und dennoch war vielleicht kein Freundschaftsvertrag für die Entwicklung Europas bedeutender und hatte langfristigere Folgen als der Elysee-Vertrag, denn er legte die Grundlage zu einer lang andauernden, intensiven deutsch-französischen Konsultation und Kooperation, die ihre konsequente Fortsetzung später in regelmäßigen gemeinsamen Sitzungen deutscher und französischer Ministerien, des deutschen und des französischen Kabinetts, in der später wieder aufgegebenen Idee einer doppelten Staatsbürgerschaft und seinen krönenden Abschluss 56 Jahre später, am zweiten 20. Januar 2019, in der feierlichen Unterzeichnung des Vertrags von Aachen im Krönungssaal des Aachener Rathauses fand.
Trotz aller Unterschiede der jeweiligen Interessen auf französischer und deutscher Seite gab es allerdings ein Motiv, das beide Nationen nach den grausamen Erfahrungen des Ersten und vor allem Zweiten Weltkrieges prägte: „Nie wieder Krieg in Europa!“ … und vor allem nicht zwischen Deutschland und Frankreich, lautete die Devise, die über die beiden Nationen links und rechts des Rheins hinaus eine ungeheure Dynamik zum Zusammenwachsen Europas entfaltete. Und weil die beteiligten Nationen wussten, dass gute Absichten allein nicht ausreichen um Kriege zu verhindern, koppelten sie diese mit konkreten wirtschaftlichen Interessen, die alle beteiligten europäischen Nationen in ein eng verflochtenes Netz wechselseitiger ökonomischer Kooperation und Abhängigkeit einband, die sogenannte Montanunion, die dann im Jahre 1957 zur Gründung der europäischen